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Purification through Rave

 

Ich habe selber über 10 Jahre lang neben Ausbildung und Studium zur Kommunkationsdesignerin im Berliner Nachtleben als Bartender und Veranstalterin gearbeitet, eine der ersten queer-feministischen Parties namens Queeromatik und eine der erfolgreichsten Elektroparties der Stadt mit All-Female-Line-Up namens Unter Freund:innen (coming back soon) veranstaltet und viel Zeit in Bars und Clubs verbracht. Ich kenne die Feierei also bestens und sie brachte mich im wahrsten Sinn des Wortes „aus der Balance“. So hinterfragte ich.

Warum Rausch?
Warum wollen wir „high“ sein? Was wollen wir erleben? Welche Realität wollen wir verlassen und welche Dimensionen erkunden? Wozu wollen wir einen Ausgleich schaffen? Fehlt etwas im hier und jetzt, in meinem Leben? Selbstzelebrierung oder Bestrafung? Rausch als Bewussteinserweiterung oder Abdichtung. Pforte oder Pflaster und Hilfestellung? Was ist der Preis den ich zu zahlen bereit bin? Ist Substanzkonsum eine Selbstmedikamentation?

Ich glaube wenige Menschen reflektieren ihre eigene körperliche, geistige und psychische Situation ebenso wenig wie den allgemeinen Konsum als Reaktion auf die Welt und die private Situation. Grade Alkohol ist gesellschaftlich so integriert, dass sich die Frage nach dem warum nicht stellt. Wir finden es normal betrunken zu sein.

Neben der Feierei etablierten sich spirituelle Praktiken wie Yoga und Meditation in meinen Alltag. Vor allem durch Atemmeditationen erfuhr ich ähnliche, aber durchaus tiefere, tranceartige Zustände wie beim „feiern“. Die Analogie von Bewusstseinspraktik und Feierei wurde mir dadurch bewusst und ich begann zu verstehen, dass „high“ sein ein Zustand ist, der nicht substanzabhängig sein muss. So ging ich wieder in die Clubs und probierte mich aus.

Durch jahrelange Beobachtungen, Reflektionen und Selbstexperimenten wie Yoga, Atemübungen und Meditationen auf den Clubtanzflächen bestätigte sich meine Vermutung: das geht auch ohne Substanz und ich kam tatsächlich nüchtern aber mit tellergroßen Pupillen und einem weiten, erfüllten Herz nach Hause. Ich erfuhr großes Interesse von anderen Feiernden, manche glaubten ich sei entweder der Dealer oder total „high“, und das war und bin ich, aber nüchtern, und das seit knapp 4 Jahren.

Wie funktioniert der nüchterne Rausch?
Das Einwirken von dramaturgisch exzellentem und qualitativ hochwertigem Sound auf den gesamten Organismus, Bewegung (tanzen ist Performance, ich meine hier das sich bewegen lassen von der Musik), tiefe Atmung, Konzentration, Monotonie, Ausdauer.

Ich suchte meine neue Art des Feierns zu teilen und besuchte unterschiedlichste sober Events. Durch meine eigene Erfahrungsgeschichte (Berliner Clubkultur) habe ich mich dort nicht wiederfinden können. Da ich schon vorher Veranstalterin war, lag nah, etwas neues zu erschaffen.

Ich glaube wir suchen nach Liebe, Selbstbewusstsein, Verwurzelung mit der Natur, Abwechslung vom Alltag, Respekt, Ritual, Klärung und Spaß und möchten uns und die anderen ausgelassen erleben, uns anlachen uns bewegen und „gehen lassen“. „Raven“ bedeutet soviel wie träumen, schwärmen und aber auch wüten. Alle Emotionen wollen angesprochen und ausagiert werden, am friedlichsten geht das natürlich wenn wir einen Katalysator wie zum Beispiel das „Feiern“ finden.

Ich richte die [oˈa ː.zə] jetzt seit 2018 in Berlin aus um eine wie mir bewusst wurde, wirklich uralte Art der Zelebrierung und Klärung (purification by rave) im modernen Gewand anzubieten. Denn das ist es: träumen, schwärmen, wüten, alles (alte) „(ab)geben“, raustanzen und auftanken. Ein gutes DJ Set treibt uns durch alle Emotionen. Ohne Alkohol, ohne Chemie und ohne Müll, (no alc, no chemicals, no trash) soll diese Veranstaltung eine Feier-Oase sein, bei der aber sonst alles wie im Club ist und durch Atemtrance am Anfang und Ende des Events ergänzt wird.

Die Besucher*innenzahlen schwanken zwischen 70 auf einem Sonntag bis etwa 200 Menschen samstags, Anzahl steigend. Es fühlt sich noch ein bisschen wie ein exklusives Event an, da für die [oˈa ː.zə] sehr gut gebuchte DJs auflegen, aber eben nicht in einem überfüllten riesen Club, sondern mit überschaubarer Tanzfläche, Garten und Feuer. Das Publikum ist eine wachsende, sich jüngst definierende Crowd. Da gibt es die Feierflüchtigen, die einfach genug von Sauferei und Co und nun Lust auf eine neue Erfahrung haben, dann jene die noch nie Bock auf Alkohol und Drogen hatten, die „neuen Bewussten & Spirituellen“, alten Freunde, Schwangere Frauen, Feierbekanntschaften und Neugierige.

Auf der [oˈa ː.zə] sollen sich Rausch, richtig guter, moderner Sound und Achtsamkeit nicht ausschließen. Das geht, wenn der Rausch durch Substanz die Sinne nicht „heruntertuned“, sondern eine klare Frequenz herrscht, man sich zu öffnen wagt, eine Verbindung zu sich selbst herstellt, zum DJ, zur Musik, zu den anderen Menschen und letzendlich auch zur Natur — jener Rausch, jene Ekstase, die man allein durch Konzentration, fokussierte Atmung, Ausdauer, Stimulation durch Musik und Bewegung erleben kann. Das kann man wirklich üben und ich leite durch Atemmeditationen in die der Rave integriert ist rein und raus aus dem Abend. Optimal, kommen alle zur gleichen Zeit an, damit sich im Laufe der Zeit eine große Gruppe formen kann die sich im sicheren Rahmen ausprobiert, sich einlässt und dann so richtig auslässt, zu sich findet, gemeinsam startet und den Abend gemeinsam schließt.

Rituale gab es bei den ersten „Raves“ auch, mit rohem Kakao oder anderen Pflanzenauszügen wie Weißdorn oder Hirtentäschelkraut für die Nerven und das Herz. Gemeinsames trinken im Kreis ist vergleichbar mit vertrauten aber eher unbewussten Ritualen um Kollektivität herzustellen. Das machen die Leute in den Clubs schließlich auch, wenn sich zu zehnt um Drogen zu nehmen zusammen in die Toiletten eingeschlossen wird und jeder Handgriff sitzt, oder man ganz schlicht an der Bar zusammen anstößt oder Trinksprüche sagt. Das sind soziale Momente, um uns näher zu kommen. Wer hat nicht auch schonmal mit angeprostet obwohl man gar nicht trinken wollte. Gruppendynamik spielt beim Feiern und beim Konsum eine große Rolle. Wir wollen dazu gehören, Menschen sind Rudeltiere, wer nicht mitmacht, der ist anders „drauf“, as simple as that, und damit „raus“. Auf der [oˈa ː.zə] gibt es deshalb keine Substanz.

Rausch ist meiner Meinung nach das verlassen der materiellen Realität aus guten Gründen. Wir leben in einer komplizierten Zeit und suchen nach Pausen, Auswegen und Antworten, privat und weltpolitisch. Die Einstellung, unsere Sinne durch Alkohol „abzudichten“ ist eine Abwendung, eine Art Ausschalten der Sinne und damit eine andere Bewegung als Zuwendung. Unser Planet und unsere Gesellschaften brauchen uns jetzt wach, klar, gesund und kräftig um sich mutig der Realität zu stellen, um empathisch zu sein, um in die Handlung zu kommen, um Veränderung zu leben, um uns selbst mitsamt der Natur zu pflegen. Rausch kann eine bewusstseinserweiternde Reise sein und Antworten in die Welt bringen. Nach- und hinschauen anstatt betäuben.
Veränderung beginnt im Inneren. Dafür muss ich mutig hingucken.
Ich sehe grade die schlauen, empathischen, kreativen, sensiblen Menschen neigen dazu ihre Perzeption und Energie kleiner zu konsumieren. Ich lade ein eine Veränderung aktiv und tüchtig mit anzutreiben. Solange ich gegen mich selbst agiere, meine Bedürftigkeit nicht erkenne, kann ich höchstwahrscheinlich auch im außen keinen Frieden halten. Nachhaltigkeit bedeutet deshalb für mich ergänzend auch nachhaltiges Handeln mit mir selbst und sollte auch beim Feiern nicht ausgeklammert sein.

Ich will nicht sagen ob etwas gut oder schlecht ist, ich denke alles ist gestattet und passiert aus Gründen. Meine Intention ist die Bewusstmachung, ich zeige mit dem Finger drauf, wertfrei, und öffne einen neuen Erfahrungsraums für die, die Lust drauf haben.
Set und Setting sind wichtig für das Erlebnis. Das meint den ganzen Rahmen der Veranstaltung sowie auch das Motiv, also die Motivation der Teilnehmer*innen.

„Es ist wichtig, was hier passiert“ ist ein oft gehörtes Feedback.

Und etwas, was als wichtig wahrgenommen wird und so viel Spaß macht, wird auch größer.
Ja, ich plane mit der oase auf „Tour“ zu gehen. Ich absolviere als Zusatzqualifikation dieses Jahr meine Ausbildung zur Atemtherapeutin um die Atemtrance noch stärker in den Erlebnisraum oase Rave zu integrieren. Es geht voran. Die [oˈa ː.zə] entspringt einer großen Passion und der Idee Schritt für Schritt gemeinsam zu wachsen und ich merke stark und dankbar, das öffentliche Interesse wächst! Ich bin im Planungsprozess der nächsten [oˈa ː.zə] in Berlin und einem „Tourkonzept“. Interesse, Kontakt, Unterstützung und Einladungen sind sehr erwünscht.

Danke.

LIV